Wandel – ein zweischneidiges Schwert

Ohne Veränderung kein Fortschritt. Doch wie viel Veränderung verträgt eine Gesellschaft, eine Stadt, ein einzelner Mensch? Man wird selten gefragt – darin liegt die historische Kontinuität. Wandel kann schmerzhaft sein, aber auch das Leben erleichtern. Nehmen wir nur einmal das Reisen.

Nie war reisen einfacher als heute. Auf dem Weg zum Bahnhof besorgen wir uns per Smartphone noch schnell einen Fahrschein für ein paar Euro und besteigen z.B. den Intercity nach Stuttgart. Falls die DB einen guten Tag hat, ist man in einer guten Stunde am Ziel. Vor weniger als 200 Jahren wäre noch eine holprige und kostspielige Postkutschenfahrt angesagt gewesen.

Damit war ab 1866 Schluss, denn in diesem Jahr wurde Ellwangen an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Die neuen Möglichkeiten, die die Eisenbahn eröffnete, gingen jedoch mit vielen Zumutungen für Land und Bevölkerung einher. Die Schienentrasse zerschnitt rücksichtslos die Landschaft, und mancher Bauer musste nun Umwege bis zum nächsten Bahnübergang machen, um zur anderen Hälfte seiner ehemals zusammenhängenden Felder und Wiesen zu gelangen. Auch eine Menge Lärm und Schmutz brachte die Bahn mit sich. Wer sich heute über schlechte Luft beklagt, hat das Dampflok – Zeitalter nicht erlebt! Auch das Ellwanger Stadtbild hatte zu leiden, denn die westliche Stadtmauer war dem Bahnbau hinderlich. Ihr Abriss hinterließ eine klaffende Wunde in Form unansehnlicher Häuserfassaden – verbaute und vernachlässigte Fronten, die der historische „Sichtschutz“ bisher verdeckt hatte. Solche und ähnliche Auswirkungen brachte der Siegeszug der Eisenbahn praktisch überall mit sich, doch die bahnbrechenden Vorteile des neuen Verkehrsmittels lagen ja ebenfalls auf der Hand.

Es brauchte wohl eine ganze Zeit, bis die Wunden dieses tiefgreifenden Wandels verheilt waren und die Bevölkerung sich mit der neuen Situation arrangiert hatte. Aber am Ende tat sie es doch. Wer verliert heute noch einen Gedanken an die damaligen Befindlichkeiten, wenn wir am Bahnsteig stehen und auf den IC nach Stuttgart warten?

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